Gewählte Publikation:
Wuercher, M.
Postpartale Psychische Störungen -
Prävalenz, Ursachen, Risiko und Therapie
Humanmedizin; [ Diplomarbeit ] Medizinische Universitaet Graz; 2021. pp. 77
[OPEN ACCESS]
FullText
- Autor*innen der Med Uni Graz:
- Betreuer*innen:
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Baranyi Andreas
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Rothenhäusler Hans-Bernd
- Altmetrics:
- Abstract:
- Viele Frauen leiden in der Postpartalzeit an psychischen Störungen wie z. B. einer uni- oder bipolaren Depression, Angststörungen oder unter psychotischen Störungen. In dieser Literaturrecherche werden aktuelle Forschungsergebnisse der letzten zehn Jahre zusammengefasst.
Um die Prävalenz postpartaler psychischer Störungen zu verringern, ist es wichtig, Risikofaktoren zu erkennen und zu definieren. In der aktuellen Forschung häufig genannte Risikofaktoren für die Entwicklung einer postpartalen Depression sind z. B. psychische Vorerkrankungen, Substanzmissbrauch, Veränderungen des Immunsystems während der Schwangerschaft, Notkaiserschnitte, belastende Lebensereignisse und eine als unzureichend empfundene soziale Unterstützung. Für eine bipolare postpartale Depression stellt vor allem eine positive Familienanamnese einen Risikofaktor dar.
Als wichtigste Risikofaktoren einer postpartalen Psychose zeigen sich eine postpartale Psychose in der Vorgeschichte, eine bipolare Erkrankung, Primiparität oder Komplikationen während der Geburt.
Für postpartale Angststörungen sind z.B. Angststörungen in der Vorgeschichte, Rauchen sowie Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen Risikofaktoren. Auch eine Präeklampsie zählt zu den Risikofaktoren für postpartale psychische Erkrankungen.
Auch psychiatrisch zuvor unauffällige Frauen können nach der Geburt erkranken und werden oft nicht als Risikogruppe erkannt.
Speziell entwickelte Werkzeuge zur Diagnose von postpartalen psychischen Störungen sind wünschenswert, zur Verfügung steht z. B. die Edinburgh-Postnatal- Depressions-Skala.
Die Suche nach verlässlichen Biomarkern als Screeninginstrumente liefert noch keine zufriedenstellende Ergebnisse für den klinischen Alltag. Mögliche künftige Ansätze umfassen z.B. die Analyse von DNA-Methylierungsvarianten, die die Sexualhormonsensitivität mediieren, Vitamin D, proinflammatorische Signalstoffe (CRP, Interleukin-6) oder erhöhte Kortisolspiegel.
In der Prävention erweisen sich vor allem biopsychosoziale Beratungsmaßnahmen als wirksam.
Psychotherapeutische und psychosoziale Therapieangebote sind besonders bedeutend im Postpartalzeitraum. Bei geringem Leidensdruck kann z. B. auch eine Selbsthilfegruppe hilfreich und ausreichend sein, auch die Kognitive Verhaltenstherapie oder die Interpersonelle Psychotherapie sind häufig empfohlene Behandlungsmöglichkeiten.
In der psychopharmakologischen Therapie stellen fehlende oder noch unzureichende Daten über die Sicherheit von Psychopharmaka als Ergänzung zu psychosozialen Therapieansätzen während Schwangerschaft und Stillzeit eine Herausforderung dar. Die Verschreibung muss immer nach einer strengen Nutzen- Risiko Analyse durch die behandelnden Psychiater*innen erfolgen.
Besonders bei therapierefraktären schweren psychischen Erkrankungen kann auch der Einsatz einer EKT oder einer rTMS in Erwägung gezogen werden.
Wichtig ist vor allem für Frauen mit psychischen Vorerkrankungen, einen Rückfall- Präventionsplan gemeinsam mit den Patient*innen, ihrem Umfeld und den involvierten Behandler*innen zu erstellen.
Peripartale psychische Störungen können mit negativen Auswirkungen auf den Nachwuchs assoziiert sein, diese sind jedoch oft nicht unvermeidbar. Suizid und Infantizid sind seltene Folgen postpartaler psychischer Störungen. Auch gebären Frauen mit postpartalen psychischen Erkrankungen seltener weitere Kinder. Weitere, groß angelegte Studien sind nötig, um die genauen Mechanismen hinter postpartalen psychischen Störungen zu verstehen, Risikofaktoren zu definieren und erkrankte Patient*innen möglichst rasch einer gezielten Behandlung zuführen zu können.
Eine erhöhte Aufmerksamkeit, die auf dieses wichtige Thema im klinischen Alltag gelenkt wird, kann helfen, postpartale psychische Störungen vorherzusehen, früh zu identifizieren und somit auch helfen, negative Folgen für die Mütter und ihre Kinder zu verhindern.