Gewählte Publikation:
Santer, P.
Wissenschaftliche Evidenz zur klinischen Wirksamkeit der Neuraltherapie – ein systematischer Review
Humanmedizin; [ Diplomarbeit ] Medizinische Universitaet Graz; 2021. pp. 63
[OPEN ACCESS]
FullText
- Autor*innen der Med Uni Graz:
- Betreuer*innen:
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Bornemann-Cimenti Helmar
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- Abstract:
- Die Neuraltherapie, eine ganzheitliche Behandlungsmethode, erstmals 1925 von den deutschen Brüdern Huneke entdeckt, ist heutzutage unter Medizinern, die sich mit Schmerzen unterschiedlichster Genese beschäftigen, weit verbreitet. In Österreich zur Anwendung von Neuraltherapie befähigt sind Ärzte, die das von der österreichischen Ärztekammer zur Verfügung gestellte Ärztekammer-Diplom für Neuraltherapie, eine zweijährige Ausbildung, absolviert haben. Die Einsatzgebiete reichen über Erkrankungen des Bewegungsapparates, Kopfschmerzen, Erkrankungen im Zahn- und Kieferbereich, des Abdomens, urogenitalen Erkrankungen, vegetativen Dysfunktionen, bis hin zu allergischen Erkrankungen und Wundheilungsstörungen. Jedoch fehlen sowohl für die Neuraltherapie als Überbegriff, als auch für ihre zahlreichen Anwendungsformen klare Empfehlungen nach den Kriterien der Evidenzbasierten Medizin.
Ziel dieser Arbeit ist die Bewertung der aktuellen Studienlage zum Thema Neuraltherapie in Form eines systematischen Reviews. Dazu wurde eine systematische Literatursuche in den Datenbanken „PubMed“ und „Web of Science“ durchgeführt, die Suchergebnisse entsprechend der Ein- und Ausschlusskriterien gescreent und anhand des Jadad-Scores bewertet.
Aus 626 Suchergebnissen wurden elf randomisierte, kontrollierte Studien und fünf Reviews für die Verfassung dieser Diplomarbeit herangezogen. In fünf randomisierten, kontrollierten Studien konnten signifikante Ergebnisse hinsichtlich einer verbesserten Schmerzsymptomatik gegenüber der Kontrollintervention beobachtet werden. In einer weiteren Studie wurden signifikante Verbesserungen auf der Kurtzke-Skala bei Patient*innen mit multipler Sklerose erzielt. Die Autoren einer einzigen Studie berichten über signifikant bessere Wirksamkeit der Kontrollintervention. Die verbliebenen vier Studien zeigen zwar Verbesserungen im Vorher-Nachher-Vergleich, jedoch keine signifikanten Gruppenunterschiede. Die Autoren der Reviews stellen limitierte Evidenz und Studien mit teilweise unzureichender Qualität fest.
Trotz mancher Kritikpunkte sowie der limitierten Evidenz, die aus den Ergebnissen der Reviews hervorgeht, lässt sich durchaus eine Empfehlung für die Neuraltherapie aussprechen. Jedoch kann diese aufgrund der hohen Studiendiversität nicht auf spezielle Indikationen oder Anwendungsformen mit genauen Dosis- und Wirkstoffangaben konkretisiert werden. Weitere Studien mit größerer Teilnehmerzahl wären für Empfehlungen auf Basis einer höheren Evidenzklasse hilfreich.