Gewählte Publikation:
Flicker, S.
Zusatzbefunde in der klinischen Anwendung der Exomdiagnostik mit einem Vorschlag zu einer einheitlichen Einverständniserklärung
Humanmedizin; [ Diplomarbeit ] Medizinische Universitaet Graz; 2021. pp. 95
[OPEN ACCESS]
FullText
- Autor*innen der Med Uni Graz:
- Betreuer*innen:
-
Speicher Michael
-
Verheyen Sarah
- Altmetrics:
- Abstract:
- Einleitung
Bei klinischen Auffälligkeiten unbekannter Ätiologie, aber dem Verdacht auf eine genetische Ursache, wird zunehmend eine breite genetische Abklärung mittels Next Generation Sequencing eingesetzt. Beim Whole Exome Sequencing oder Whole Genome Sequencing werden mit unterschiedlichen Filtermethoden Varianten gesucht die mit den klinischen Auffälligkeiten in Zusammenhang stehen oder stehen könnten. Zusatzbefunde sind nicht mit der Indikation für die Analyse in Verbindung stehende Genvarianten mit unterschiedlicher Krankheitsrelevanz. Sie werden in bis zu 6,63% der durchgeführten Analysen erhoben. Im Gegensatz zu Zusatzbefunden in anderen Bereichen der Medizin können Zusatzbefunde bei der genetischen Diagnostik auch für Angehörige der untersuchten Person eine bedeutende Rolle spielen. In Österreich gibt es bislang keinen einheitlichen Umgang in Bezug auf die Aufklärung, Erhebung und Rückmeldung von Zusatzbefunden.
Methode
Im ersten Teil der Arbeit wurden ausgewählte Richtlinien und Empfehlungen anerkannter Expertengruppen in der Humangenetik zum Umgang mit Zusatzbefunden analysiert und verglichen. Gegenstand der Literaturrecherche und des ersten Teils der Arbeit war außerdem die Analyse von Studien zu den Haltungen von Humangenetik-Expertinnen und Experten sowie Patientinnen und Patienten zur Rückmeldung unterschiedlicher Zusatzbefunde. Es wurde daraufhin im zweiten Teil ein Vorschlag für eine einheitliche Einverständniserklärung für genetische Untersuchungen mit einem Absatz zu Zusatzbefunden erstellt, welcher im Rahmen des 3. und 4. österreichischen Exomtreffens im Beisein von Vertreterinnen und Vertretern von vier österreichischen Humangenetik Instituten, diskutiert wurde.
Ergebnisse
Die Gegenüberstellung der Richtlinien und Empfehlungen ergab eindrückliche Unterschiede, besonders im Vorgehen der Erhebung von Zusatzbefunden. Die Empfehlungen zur Rückmeldung stimmten weitgehend überein. Die Erhebungen zu den Präferenzen der Humangenetik-Expertinnen und Experten sowie von Patientinnen und Patienten zur Rückmeldung von Zusatzbefunden ergaben, dass vor allem die Rückmeldung von als krankheitsverursachend oder wahrscheinlich krankheitsverursachend eingestuften Genvarianten gefordert (66% - 100%) und die Rückmeldung von Varianten unklarer Relevanz nicht gewünscht wird. Die in den Studien betrachteten Gene und deren Varianten sind Teil einer vom American College of Medical Genetics and Genomics erstellten Genliste welche 59 Gene beinhält. Es konnte durch die Literaturrecherche die Wichtigkeit der ausführlichen Aufklärung über die Möglichkeit des Auftretens, die verschiedenen Arten sowie die Bedeutung von Zusatzbefunden in individuellen Beratungsgesprächen aufgezeigt werden. Ein Konsens für eine Einverständniserklärung für genetische Analysen der universitären Institute für Humangenetik in Österreich konnte gefunden werden.
Konklusion
Im weltweiten Vergleich der Empfehlungen im Umgang mit Zusatzbefunden in der genetischen Diagnostik sind deutliche Unterschiede festzustellen. Lokale Vorgehensweisen sollten angepasst an die jeweilige Gesetzeslage und die Einstellungen der Bevölkerungsgruppe erstellt werden. Für Europa gibt es zur Präferenz des Umgangs mit Zusatzbefunden im klinischen Setting zu wenige Daten. Um eine österreichweite, einheitliche Umgangsweise mit Zusatzbefunden zu implementieren, welche die Patientinnen- und Patientenautonomie wahrt aber gleichzeitig das Potential von Zusatzbefunden nutzt, sind Standards und Empfehlungen notwendig, die sich am momentanen wissenschaftlichen Stand der internationalen Forschung orientieren.