Gewählte Publikation:
Urdl, L.
Allergische Soforttypreaktionen auf niedermolekulare Heparine
- Eine retrospektive Fallstudie und Literaturrecherche
Humanmedizin; [ Diplomarbeit ] Medizinische Universitaet Graz; 2021. pp. 59
[OPEN ACCESS]
FullText
- Autor*innen der Med Uni Graz:
- Betreuer*innen:
-
Bokanovic Danijela
-
Kränke Birger
- Altmetrics:
- Abstract:
- Einleitung: Niedermolekulare Heparine werden zur Antikoagulation bei thromboembolischen Ereignissen eingesetzt und stellen eine in der Regel gut verträgliche Wirkstoffklasse dar. Allergische Reaktionen auf niedermolekulare Heparine (NMH) sind durch die zunehmende Qualität und Sorgfalt bei der Wirkstoffgewinnung zu einer Seltenheit geworden. Zu den häufigsten allergischen Reaktionen auf NMH zählen Spättypreaktionen. IgE-vermittelte Soforttypreaktionen stellen eine Rarität dar und wurden bisher nur vereinzelt beschrieben.
Methoden: Im Rahmen einer retrospektiven Fallstudie wurden vier Fälle mit Soforttypreaktion auf NMH aufgearbeitet, die sich im Zeitraum von 01.01.2004 bis 01.04.2020 an der allergologischen Ambulanz und der allergologischen Teststation der Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie in Graz präsentierten. Mittels deskriptiver Statistik wurden Daten wie Alter, Geschlecht, suspiziertes Arzneimittel, Symptome und Testergebnisse verglichen. Zusätzlich erfolgten eine weitreichende Literaturrecherche und Aufarbeitung der bisher publizierten Fälle.
Ergebnisse: Fall 1 handelt von einer 49-jährigen Patientin, die kurz nach einer Enoxaparin-Applikation eine anaphylaktische Reaktion II° erlitt. Die Hauttestungen verliefen allesamt negativ. Im subkutanen Provokationstest zeigten sich Danaparoid und Fondaparinux als gut verträglich wohingegen Enoxaparin erneut eine anaphylaktische Reaktion II° auslöste. Fall 2 beschreibt eine 37-jährige Patientin mit Angioödemsymptomatik nach einer Dalteparin-Applikation. Die Hauttestungen ergaben negative bzw. irritative Ergebnisse. Die subkutane Provokationstestung mit Dalteparin ergab eine anaphylaktische Reaktion II°. Fall 3 handelt von einer 46-jährigen Patientin mit Angioödemsymptomatik nach einer Enoxaparin-Applikation. Der Intrakutantest verlief fraglich positiv. Enoxaparin ergab im subkutanen Provokationstest eine anaphylaktische Reaktion II°, Fondaparinux wurde gut vertragen. Fall 4 handelt von einer 40-jährigen Patientin mit lokaler Rötung und Schwellung unmittelbar nach einer Enoxaparin-Applikation. Im Intrakutantest konnte eine Soforttypreaktion bestätigt werden. Die Literaturrecherche ergab 15 Fälle mit allergischen Soforttypreaktionen auf NMH.
Schlussfolgerung: Allergische Soforttypreaktionen auf NMH werden in der klinischen Praxis wie auch der wissenschaftlichen Literatur sehr selten berichtet. Bei den hier behandelten Fällen waren zumeist Frauen im mittleren Lebensalter betroffen. In der allergologischen Abklärung konnten Hauttestungen in 61,5% der beschriebenen Fälle das Allergie-auslösende NMH erfassen, und gelten neben der subkutanen Provokationstestung als wichtigstes diagnostisches Medium. Aufgrund der molekularen Homogenität weisen niedermolekulare Heparine eine beinahe 100%ige Kreuzreaktivität innerhalb ihrer Wirkstoffklasse auf, weswegen die Austestung möglicher Ausweichpräparate (z.B. Fondaparinux) unverzichtbar für zukünftige Antikoagulationen ist.