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Gewählte Publikation:

Koch, T.
Unterschiede zwischen manueller und digitaler IOTN Vermessung - eine retrospektive Studie an Zahnmodellen.
Zahnmedizin; [ Diplomarbeit ] Medizinische Universitaet Graz; 2020. pp. 65 [OPEN ACCESS]
FullText

 

Autor*innen der Med Uni Graz:
Betreuer*innen:
Santigli Elisabeth
Wegscheider Walther
Altmetrics:

Abstract:
Einleitung:Seit 1. Juli 2015 gibt es in Österreich für die kieferorthopädische Behandlung von gravierenden Zahnfehlstellungen bei Kindern und Jugendlichen die Kostenübernahme aus öffentlicher Hand. Zur Kategorisierung der Anspruchsberechtigung wird die Dental Health Component (DHC) des Index of Orthodontic Treatment Need (IOTN) herangezogen. Dieser Index dient als Kommunikation zwischen ZahnärztInnen und Krankenkassen. Er entspricht einer Skala von 1 bis 5. Bei einem IOTN von 4 oder 5 kommt es zur Kostenübernahme. Derzeit erfolgt die Vermessung meist manuell. Ab 1. Jänner 2021 ist die Übermittlung der erforderlichen Zahnmodelle an die Krankenkassen zum Zwecke der Qualitätssicherung in digitaler Form verpflichtend. Fragestellung:In dieser Studie wird untersucht, ob es einen Unterschied in der IOTN Bewertung zwischen der manuellen und der digitalen Methode gibt. Ziel ist es den Nutzen einer digital unterstützten Modellbewertung für KieferorthopädInnen und Assistenzpersonal zu untersuchen. Zu erwarten ist, dass es zu einer zunehmenden Übereinstimmung zwischen den BeurteilerInnen kommt, diese mit einer Arbeitserleichterung einhergeht und somit eine praktikable Alternative zur bisherigen manuellen Bewertung darstellt. In diesem Zusammenhang soll auch die Wirtschaftlichkeit beider Messverfahren diskutiert werden. Material und Methode: 40 Zahnmodelle wurden durch eine Gruppe von 9 UntersucherInnen, (3 KieferorthopädInnen, 3 Studierende und 3 zahnärztliche Assistentinnen) nach den Kriterien des IOTN vermessen und verglichen. Im ersten Schritt erfolgte die manuelle Vermessung der Gipsmodelle. Im nächsten Schritt wurden die Modelle mit einem Desktop Laser Scanner abgelesen und für die digitale Vermessung mit der Software Onyx Ceph3 aufbereitet. Die Bewertung erfolgte gemäß Protokoll nach dem MOCDO Schema mit Zeiterfassung. Die Einzeldaten wurden in einer Datenmatrix zusammengeführt. Abschließend erfolgte die beschreibende und vergleichende Datenanalyse mit SPSS. Ergebnisse:Die Gegenüberstellung der manuellen und digital unterstützten IOTN Bewertung zeigt in ihrer Gesamtheit unterschiedliche DHC Verteilungen für beide Methoden: Grad 1 (2%vs0%), Grad 2 (31%vs25%), Grad 3 (44%vs45%), Grad 4 (24%vs28%) und Grad 5 (1%vs2%). Auch innerhalb ein und derselben UntersucherIn findet sich wenig Übereinstimmung zwischen den Verfahren. Die durchschnittliche Übereinstimmung zwischen den UntersucherInnen ergibt eine gerade noch ausreichende Übereinstimmung sowohl in der manuellen (α=0,59) als auch in der digitalen (α=0,56) Vermessung. Wählt man IOTN Grad und Merkmal als Zielgröße, so zeigt die Heatmap sowohl innerhalb als auch zwischen den UntersucherInnen viel nicht übereinstimmende Flächen auf. Hinsichtlich des Zeitaufwandes zeigen sich signifikante Unterschiede zwischen der durchschnittlichen manuellen und digitalen Dauer (Tm=1:55 und Td=8:28). Während der Zeitaufwand für die manuelle Vermessung über die 3 Berufsgruppen konstant bei rund 2 Minuten liegt, zeigen sich signifikante Unterschiede in der digitalen Vermessung zwischen den KieferorthopädInnen einerseits (TKd=12:11) und den StudentInnen (TSd=6:56) bzw. den Assistentinnen (TAd=6:16) andererseits. Schlussfolgerung:Die digital unterstütze IOTN Bestimmung zeigt in der vorliegenden Studie keine Vorteile gegenüber der manuellen Auswertung. Bei der qualitativen Übereinstimmung sind beide Verfahren (noch) unzureichend. Der Zeitaufwand für die digitale IOTN Vermessung beträgt mehr als das Vierfache. Im Generationenvergleich wird dieser Unterschied noch deutlicher. Die digitale Erfahrenheit dürfte dabei eine wesentliche Rolle spielen. Die vermeintlichen Vorteile einer Digitalisierung werden durch erhöhten Personal- und Kostenaufwand erkauft. Derzeit beschränkt sich die digitale Auswertung auf eine digitale Messhilfe. Erst eine vollautomatisierte Ablesung von Zahnmodellen nach den Kriterien des IOTN könnte die „Fehlerquelle Mensch“ umgehen.

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