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Gewählte Publikation:

Hoffmann, M.
Angehörigenmanagement auf der Intensivstation
Doktoratsstudium der Medizinischen Wissenschaft; Humanmedizin; [ Dissertation ] Graz Medical University; 2019. pp. 133 [OPEN ACCESS]
FullText

 

Autor*innen der Med Uni Graz:
Hoffmann Magdalena
Betreuer*innen:
Amrein Karin
Eller Philipp
Holl Anna
Altmetrics:

Abstract:
Kommt ein Familienmitglied auf die Intensivstation (Intensive Care Unit, ICU), bedeutet das für die Angehörigen eine extreme emotionale und psychische Belastung. Viele Familien berichten über Angst, Stress, depressive Gefühle und Schlafstörungen. Eine Folge davon können Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung (posttraumatic stress disorder, PTSD) sein. Die Literatur bestätigt einen Zusammenhang zwischen Informationsasymmetrie, Fehl- bzw. Falschinformation und dem Auftreten von Symptomen einer PTSD. Etwa 50% der An-gehörigen von IntensivpatientInnen suchen Informationen im Internet, es fehlen jedoch geeignete Unterstützungsangebote für medizinische Laien in Deutsch und geschrieben in laiengerechter Sprache. Diese Dissertation geht der Frage nach, ob und wie Informationsmanagement auf der Intensivstation die Angehörigen in dieser Krisensituation unterstützen und die emotionale und psychische Belastung reduzieren kann. Das ICU-Families-Projekt gliedert sich in drei Phasen mit verschiedenen Forschungsmethoden zur Beantwortung von drei Forschungsfragen. In der ersten Phase wurde mittels Querschnittserhebung der Informationsbedarf von Angehörigen von IntensivpatientInnen erhoben. In der zweiten Phase wurde auf Basis der Erkenntnisse der ersten Phase eine interaktive Informationsplattform entwickelt und mit Laien und medizinischen ExpertInnen (MedizinerInnen, Pflegepersonen) auf deren Nützlichkeit getestet. Die dritte Phase unterteilt sich in zwei Teile. Im ersten Teil wurde anhand einer prospektiven multizentrischen Studie die psychische Belastung der Angehörigen erhoben. Im zweiten Teil der dritten Phase wird aktuell eine randomisierte, kontrollierte multizentrische Studie zur Prüfung der Unterstützungsmöglichkeit durch eine interaktive Informationsplattform für Angehörige durchgeführt. In der ersten Phase zur Erhebung der Informationsbedürfnisse (n=336) zeigten sich bei Angehörigen die fünf wichtigsten Themen: 1) kürzlich eingetretene Ereignisse (Krisen), 2) persönliche Mithilfe, 3) Keime im Krankenhaus, 4) Schmerzen und 5) Annahmen und Wahrscheinlichkeiten. Keines dieser Top-5-Themen der Angehörigen stimmt mit den Einschätzungen von medizinischen ExpertInnen überein. In der zweiten Phase (n=20) zur Testung der Usability der interaktiven Informationsplattform zeigte sich, dass Laien hinsichtlich der Informationsplattform spezifische Anpassungswünsche und Herausforderungen bei der Lösung der Test-Szenarien hatten. Von allen ExpertInnen wurde die Informationsplattform für die zukünftige Anwendung im Intensivsetting mit einem Mittelwert von 9,1 (0 = nicht gut, 10 = sehr gut) für die Anwendung an Angehörigen empfohlen. In der dritten Phase (n=42), konnte gezeigt werden, dass mehr als die Hälfte der Angehörigen (57%) klinisch relevante psychische Symptome aufweist. Rund 30 Tage später waren dies noch rund 45%. Frauen zeigten bei der ersten Erhebung stärkere Symptome als Männer, bei der zweiten Erhebung glichen sich die Ergebnisse wieder an. Auch war die Anwesenheit bei dem Ereignis, welches zur Aufnahme auf die Intensivstation führte, ein signifikanter Indikator für eine höhere psychische Belastung, sowohl bei der ersten wie auch bei der zweiten Erhebung (p< 0.037, p< 0.017). Die zweite Studie der dritten Phase, die randomisiert kontrollierte Studie, wurde im September 2017 gestartet und hat bisher in vier Studienzentren (Graz, Wien, Bern, Innsbruck) 55 von 110 geplanten StudienteilnehmerInnen rekrutiert. Unsere Studienergebnisse zeigen, dass die Einschätzung von ExpertInnen hinsichtlich des Informationsbedarfs nicht gut mit denen der betroffenen Angehörigen übereinstimmt. Die Konzentration auf die Informationsbedürfnisse von Angehörigen könnte diese in ihrer schwierigen Situation unterstützen. Die entwickelte Informationsplattform wurde allgemein gut angenommen. Die psychische Belastung der Angehörigen von IntensivpatientInnen ist hoch.

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