Gewählte Publikation:
Ballmann, F.
Behandlung der Alkoholkrankheit - Pharmakologische Aspekte
Humanmedizin; [ Diplomarbeit ] 5; 2017. pp.
[OPEN ACCESS]
FullText
- Autor*innen der Med Uni Graz:
- Betreuer*innen:
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Donnerer Josef
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- Schädlicher Alkoholgebrauch, Alkoholkrankheit und Alkoholabhängigkeit stellen weltweit ein außerordentliches großes medizinisches, soziales- und volkswirtschaftliches Problem dar. Die auslösenden Ursachen der Alkoholkrankheit sind bio-, psycho- oder und sozialer Natur und damit ein eindringliches Beispiel für die Notwendigkeit eines interdisziplinären Ansatzes innerhalb der medizinischen Forschung und Therapie.
Während in dem letzten Jahrzehnt immer mehr interdisziplinäre Qualitätszentren (Krebs, Rheumatische Erkrankungen usw.) gegründet wurden, sind eben solche Zentren, obwohl geschätzt 340.000 Österreicher alkoholkrank sind und nahezu jeder vierte Erwachsene Alkohol in einem gesundheitsgefährdenden Ausmaß konsumiert, für die Alkoholerkrankung unterrepräsentiert.
Die Forschungsergebnisse der letzten Jahrzehnte begründen eine differenziertere Sicht auf die Komplexität der Alkoholerkrankung, der mit ihren mannigfachen Bedingungskonstellationen nur mit ebenso komplexen Behandlungsstrategien begegnet werden kann. Durch entmutigende Langzeit-Erfolge einerseits und neurobiologischen Forschungsergebnisse, die Alkoholabhängigkeit mit einer komplexen Störung der Gehirnfunktion assoziieren andererseits, muss das Dogma der absoluten Abstinenz als einziges Therapieziel immer mehr hinterfragt werden.
Erste sinnvolle Anlaufstelle der Diagnostik, Prävention, Therapie und eines dauerhaften Monitorings sind die Ärzte und Ärztinnen die in der täglichen Praxis mit dem Problem der Alkoholerkrankungen konfrontiert werden. Eine Verbesserung der therapeutischen Möglichkeiten in der Hausarztpraxis stellt die Einführung von Anticraving-Substanzen dar. Unter „Craving“ ist das starke subjektive Verlangen nach Alkohol zu verstehen. Therapie und Prävention mittels Anti-Craving Substanzen ist ein noch immer relativ neues Klinisches Gebiet.
Zu der Substanz Disulfiram, welche vor allem durch Intoleranzen (Übelkeit) beim gleichzeitigen Gebrauch mit Alkohol, das in die Jahre gekommene Prinzip der Schuld und Strafe nutzte, gab es für lange Zeit wenig Alternativen. Seither hat sich in der neurobiologischen Forschung einiges getan. Anticraving-Substanzen wie Acamprosat (verhindert evidenzbasiert Rückfälle), Naltrexon (mindert den positiven reinforcing Effekt von Alkohol an den Opiatrezeptoren), Nalmefen und Depot Naltrexon (Compliance Verbesserung), der Gaba-Rezeptor Agonist Baclofen, und Substanzen wie Topiramat, Gabapentin, und Quetiapin, mit unterschiedlichen Wirkungsmechanismen, können vielversprechende Ansätze für neue Therapiestrategien bilden.