Gewählte Publikation:
Rundel, S.
Ist ein wiederholtes Screening auf Anämie in der Schwangerschaft erforderlich?
Humanmedizin; [ Diplomarbeit ] 5; 2017. pp.
[OPEN ACCESS]
FullText
- Autor*innen der Med Uni Graz:
- Betreuer*innen:
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Siebenhofer-Kroitzsch Andrea
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Spary-Kainz Ulrike
- Altmetrics:
- Abstract:
- Zusammenfassung
Einleitung: Die Anämie ist eine häufige Erkrankung der Schwangerschaft. Im österreichischen Mutter-Kind-Pass sind derzeit zwei Screeninguntersuchungen (vor der 16. SSW und in der 25.-28. SSW) vorgesehen, um eine Anämie zu diagnostizieren. Ein wichtiger Subtyp ist die Eisenmangelanämie. Im Zuge der Re-Evaluation des österreichischen Mutter-Kind-Passes wurde die Beibehaltung des wiederholten, routinemäßigen Screenings (25.-28. SSW) auf Anämie in der Schwangerschaft diskutiert. Aufgrund fehlender Daten konnte diese Frage nicht beantwortet werden; in diesem Zusammenhang entstand die Idee für diese Diplomarbeit, welche in zwei Unterfragestellungen dieser Frage nachgeht.
Material und Methoden: In der Fragestellung 1 wurden auf Basis der in den LBI-HTA-Berichten Eltern-Kind-Vorsorge neu Teil IX und Eltern-Kind-Vorsorge neu Update Teil IX inkludierten Leitlinien und einer erweiterten Leitlinienrecherche in den Datenbanken „Guidelines International Network“ (G-I-N) und „National Guideline Clearinghouse“ (NGC) Empfehlungen hinsichtlich eines wiederholten routinemäßigen Screenings auf Anämie verglichen.
In der Fragestellung 2 wurde mittels eines anonymisierten Fragebogens, der an der Mutter-Kind-Pass-Stelle der Gebietskrankenkasse Graz an 325 Schwangere ausgeteilt wurde, die Häufigkeit einer Einnahme von Eisen-/Vitaminpräparaten in der Schwangerschaft erhoben.
Ergebnisse: Vier der eingeschlossenen zehn Leitlinien (NICE, AHMAC, NCC-WCH, KCE) sprachen sich für ein wiederholtes routinemäßiges Screening auf Anämie in der Schwangerschaft aus, zwei Leitlinien (VA/DoD, UoM) befürworteten ein solches Screening nur bei bestehender Indikation. Während zwei Leitlinien (ACOG, ICSI) ein generelles Screening auf Anämie empfahlen, sprach sich eine weitere Leitlinie (UK-NSC) explizit gegen ein solches systematisches Screening aller Schwangeren aus. Eine Leitlinie (USPSTF) gab wegen ungenügender Evidenz keine Empfehlung zu einem Anämiescreening in der Schwangerschaft ab.
Die Auswertung der Fragebögen zeigte, dass, obwohl nur 11% der befragten Schwangeren vor der Schwangerschaft an einer Anämie litten, 73% in der aktuellen Schwangerschaft ein Eisen-/Vitaminpräparat einnahmen. 74% dieser Frauen hatten bereits vor der ersten Laboruntersuchung (vor der 16. SSW) angefangen, das Präparat einzunehmen; die Empfehlung dafür stammte in 90% der Fälle vom Arzt.
Schlussfolgerung: Die Resultate des Leitlinienvergleichs des LBI-HTA-Berichts und der erweiterten Leitlinienrecherche über die Portale G-I-N und NGC zeigten sowohl im Inhalt als auch in der Stärke ihrer Empfehlungen hinsichtlich eines wiederholten routinemäßigen Screenings auf Anämie in der Schwangerschaft große Unterschiede
Die in vielen Fällen schon früh in der Schwangerschaft begonnene Eisen-Substitution nimmt Einfluss auf die Anämie-relevanten Laborparameter und stellt die Sinnhaftigkeit beider Screeninguntersuchungen, vor allem aber der zweiten, in Frage. Eine Anpassung des Screeningprogramms, aber auch eine Aufklärung der Schwangeren und der Empfehlungsinstanzen (besonders Ärzte) sollte erwogen werden.