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Gewählte Publikation:

Schauer, N.
Was ist Intersex? Interdisziplinäre Betrachtungen zu Entstehung, Diagnostik und Behandlung von Intergeschlechtlichkeit unter spezieller Berücksichtigung des adrenogenitalen Syndroms
Humanmedizin; [ Diplomarbeit ] Graz Medical University; 2017. pp. 87 [OPEN ACCESS]
FullText

 

Autor*innen der Med Uni Graz:
Betreuer*innen:
Beubler Eckhard
Altmetrics:

Abstract:
Intersexualität oder Intergeschlechtlichkeit beschreibt Menschen, bei denen es aufgrund von kongenitalen Fehlbildungen zu einer Abweichung oder Inkongruenz der Entwicklung des chromosomalen, gonadalen oder phänotypischen Geschlechts kommt und die bei Geburt nicht eindeutig dem weiblichen oder männlichen Geschlecht zugeordnet werden können. Der 2005 eingeführte Sammelbegriff Disorders/Differences of sexual development (DSD) erlaubt die Subsummierung der äußerst heterogenen ursächlichen Zustandsbilder für Intergeschlechtlichkeit und die revidierte Nomenklatur berücksichtigt nach Möglichkeit die Ätiologie der unterschiedlichen Syndrome und benennt sie dementsprechend. Die häufigste Ursache für intersexuelle Genitalien ist das adrenogenitale Syndrom (AGS). Es beruht auf einem autosomal-rezessiv vererbten Gendefekt, der zu einer Störung der Steroidhormonsynthese in der Nebennierenrinde führt, woraufhin es zu einem Glucocorticoid-Mangel und Androgen-Überschuss kommt. Durch den Glucocorticoid-Mangel fehlt das negative Feedback von Cortisol auf die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse, wodurch es zu einer reaktiven Hypertrophie des adrenalen Gewebes kommt. Eine lebenslange Substitutionstherapie mit Glucocorticoiden wird dadurch notwendig. Durch die Anhäufung von Androgenen kann es bei weiblichen Föten bereits pränatal zu einer Virilisierung des äußeren Genitales kommen. Die schwersten Formen von AGS gehen mit einem lebensbedrohlichen Salzverlust einher, weswegen die Untersuchung auf AGS in Österreich und den meisten anderen Ländern in das Neugeborenen-Screening mitaufgenommen wurde. Das Management von DSD erfordert einen multidisziplinären Ansatz und wird im Idealfall an einem spezialisierten Zentrum von einem erfahrenen, interdisziplinären Team durchgeführt. Die psychosoziale Unterstützung der Betroffenen und zunächst ihrer Eltern spielt eine wichtige Rolle, da die Geburt eines Kindes mit intersexuellem Genitale auf die meisten Eltern eine äußerst beunruhigende Wirkung hat, jedoch per se keinen medizinischen Notfall darstellt. Die Entscheidung der Geschlechtszuweisung sollte erst nach Diagnosefindung und Berücksichtigung der verfügbaren medizinischen Literatur in Absprache mit den Eltern und im Hinblick auf die bestmögliche Lebensqualität des Kindes getroffen werden. Bezüglich medizinisch nicht notwendiger „geschlechtsanpassender“ Operationen im nicht-einwilligungsfähigen Alter herrscht derzeit kein Konsens in der fachlichen Literatur, grundsätzlich gilt jedoch die Empfehlung, die Indikation nur äußerst restriktiv und am besten zusammen mit einer Ethikkommission zu stellen.

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