Gewählte Publikation:
Bäcker, F.
Der implantierbare Cardioverter-Defibrillator bei pädiatrischen PatientInnen und jungen Erwachsenen - Eine retroperspektive Analyse von 30 Fällen am LKH Graz
Humanmedizin; [ Diplomarbeit ] Graz Medical University; 2017. pp.
[OPEN ACCESS]
FullText
- Autor*innen der Med Uni Graz:
- Betreuer*innen:
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Manninger-Wünscher Martin
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Scherr Daniel
- Altmetrics:
- Abstract:
- Hintergrund: Junge PatientInnen mit erblichen arrhythmogenen Erkrankungen haben ein hohes Risiko für den Plötzlichen Herztod (PHT). Sie unterscheiden sich in Ätiologie, Lebenserwartung und kumulativem Komplikationsrisiko von der Gesamtpopulation. Die Datenlage zum Einsatz implantierbarer Cardioverter-Defibrillatoren (ICD) ist aufgrund geringer Fallzahlen verbesserungswürdig.
Ziele: Der Verlauf bei jungen ICD-Trägern soll mit besonderem Fokus auf Indikationen, Tachyarrhythmien, Therapieabgaben und Komplikationen des ICD beschrieben und analysiert werden. Als Nebenziel soll das Potential der neuen komplett subkutan implantierbaren Systeme (S-ICD) für das PatientInnenkollektiv überprüft werden.
Daten und Methoden: Eingeschlossen in die retroperspektive Analyse wurden 30 PatientInnen, die ihren ICD vor Erreichen des einunddreißigsten Lebensjahres am LKH Graz erhalten haben und regelmäßig kontrolliert wurden. Es wurden u.a. Daten zur ICD-Indikation, Tachyarrhythmien, Therapie, Komplikationen und Batterielaufzeit erhoben.
Ergebnisse: Die Studienpopulation war zu 80% (n=24) männlich und zu 20% (n=4) weiblich, das medianemittlere Alter bei der Erstimplantation betrug 21,50 5 Jahre (Q25=17; Q75=25; Minimum 9; Maximum 29), die mittlere mediane Beobachtungszeit betrug 87 5 Jahre (Q25=2,6; Q75=10,9). Die Grunderkrankungen waren Kardiomyopathien (n=12, 40%), Ionenkanalerkrankungen (n=6, 20%), angeborene Herzfehler (n=6, 20%), idiopathisches Kammerflimmern (n=4, 13%) und ischämische Herzerkrankungen (n=2, 7%). Die ICD-Indikation war in 87% (n=26) sekundärpräventiv nach stattgehabten Tachyarrhythmien (s.p.), in 47% der Fälle (n=14) erfolgte sie nach Reanimation. Es wurden 20 Einkammer- (67%), neun Zweikammersysteme (30%) und ein CRT-D (3%) implantiert. Die revisionsfreie Zeit beträgt 5 Jahre (95% CI 4,25 bis 6,27), die Batterielebensdauer 7 Jahre (95% CI 6,21 bis 7,57). Bei 18 PatientInnen (60%) traten Kammerflimmern (VF) (n=4, 13%) oder anhaltende ventrikuläre Tachykardien (VT) (n=18, 60%) auf, wobei die erste VT nach 7 Jahren (95% CI 4,78 bis 9,51) und somit signifikant (p<0,001) früher als VF (13 Jahre; 95% CI 11,58 bis 15,33) auftrat. Alle 18 PatientInnen mit VT oder VF wurden adäquat therapiert. Die erste adäquate Therapieabgabe erfolgte nach 7 Jahren (95% CI 4,19 bis 9,19), die erste adäquate antitachykarde Stimulation nach 9 Jahren (95% CI 6,61 bis 11,76) und die erste adäquate Defibrillation nach 10 Jahren (95% CI 7,48 bis 12,83). Die erste inadäquate Schockabgabe trat nach 13 Jahren (95% CI 10,53 bis 14,95) auf und somit signifikant (p<0,001) später als adäquate Therapieabgaben. PatientInnen mit s.p. Indikation hatten zu 65%, PatientInnen mit primärpräventiver (p.p.) Indikation zu 25% anhaltende Tachyarrhythmien und adäquate Therapieabgaben. Nur fünf PatientInnen (17%) erfüllen die Bedingungen für den S-ICD.
Die häufigsten Komplikationen waren Sondendefekte/-dislokationen (n=9) oder betrafen die Aggregattasche (n=7). Ein Patient verstarb postoperativ nach vierfacher Sondenextraktion. Die meisten sonstigen Komplikationen waren leicht oder von kurzer Dauer.
Schlussfolgerungen: Der ICD ist eine insgesamt sichere und potentiell lebensrettende Therapie für junge PatientInnen mit hohem Risiko für den plötzlichen Herztod. Das kumulative Risiko ist aufgrund des hohen Revisionsbedarfs beträchtlich. Junge PatientInnen würden daher besonders von längeren Batterielaufzeiten und einer Reduktion der Systemkomplikationen profitieren. Während zur s.p. Indikation klare evidenzbasierte Empfehlungen existieren, gestaltet sich die p.p. Risikostratifizierung schwierig. Dies äußert sich in den niedrigeren Implantationszahlen und der geringeren Inzidenz von VT/VF und antitachykarder Therapie. Bessere Methoden zur Risikoerkennung und Risikostratifizierung wären wünschenswert. Für ausgewählte PatientInnen stellt der S-ICD eine Therapieoption dar.