Selected Publication:
Bauer, T.
Nahrungsmittelprotein-induzierte Proktokolitis des Säuglingsalters
Humanmedizin; [ Diplomarbeit ] Graz Medical University; 2017. pp.
[OPEN ACCESS]
FullText
- Authors Med Uni Graz:
- Advisor:
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Hoffmann Karl Martin
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- Abstract:
- Hintergrund und Zielsetzung: Bei der nahrungsmittelprotein-induzierten Proktokolitis (food protein-induced proctocolitis, FPIPC) des Säuglingsalters handelt es sich um eine entzündliche Erkrankung des Enddarms, die sich in den ersten Lebensmonaten manifestiert. Leitsymptom sind blutig-schleimige Stühle; die betroffenen Säuglinge zeigen jedoch meist keine weiteren Krankheitssymptome. Die FPIPC kann sowohl bei vollgestillten Kindern vorkommen, als auch bei solchen, die zusätzlich oder ausschließlich mit Milchnahrung auf Kuhmilchbasis ernährt werden. Die Pathogenese der Erkrankung ist nicht restlos geklärt; aktuell wird von einer nicht IgE-vermittelten allergischen Reaktion der Kolonschleimhaut auf Nahrungsmittelproteine (vor allem auf Kuhmilchprotein) als Ursache ausgegangen.
Das Ziel dieser Arbeit ist eine exakte Beschreibung der FPIPC und Aufarbeitung der die Krankheit betreffenden Literatur.
Es sollen genaue Aufstellungen der Nomenklatur der letzten Jahre und der aktuellen Diagnose- und Therapieempfehlungen erfolgen. Des Weiteren wird versucht, die Ursprünge des aktuellen pathophysiologischen Erklärungsmodells der Erkrankung zu ergründen und nicht zuletzt Literatur zu nennen, die diesem Modell kritisch gegenübersteht.
Methoden: Die Informationen für die vorliegende Arbeit wurden im Zuge einer Literaturrecherche von September 2015 bis Jänner 2016 gewonnen.
Als Informationsquellen dienten Lehrbücher der pädiatrischen Gastroenterologie und Übersichtsarbeiten aus der Online-Literaturdatenbank PubMed. Zur Wissensvertiefung wurde Primärliteratur aus eben jener Literaturdatenbank, insbesondere aus pädiatrisch-gastroenterologischen und allergologischen Journalen, herangezogen.
MS Word und MS Excel ermöglichten die graphische und tabellarische Interpretation der Ergebnisse.
Resultate: In der die FPIPC betreffenden Literatur der letzten 35 Jahre fanden sich insgesamt 17 verschiedene Bezeichnungen für diese Erkrankung, wobei teilweise auch mehrere Namen in einer Publikation verwendet werden.
Acht Richtlinien zur Diagnose und Therapie der nahrungsmittelprotein-induzierten Proktokolitis beziehen sich größtenteils auf Nahrungsmittelallergien und nennen die FPIPC als gastrointestinales Symptom der Kuhmilchallergie.
Es können hierbei zwei diagnostische und therapeutische Richtlinien, welche von internationalen Expertengruppen ausgearbeitet wurden (ESPGHAN, NIAID), von sechs durch Einzelautoren verfasste Übersichtsarbeiten unterschieden werden.
Das derzeit geltende pathophysiologische Erklärungsmodell konnte bis zu einer Publikation von W.R. Shannon aus dem Jahr 1921 zurückverfolgt werden (Beobachtungsstudie der Übertragung von Nahrungsmittelproteinen via Muttermilch an Meerschweinchen).
Insgesamt konnten 11 Publikationen aus den Jahren 2005 bis 2015 gefunden werden, die das aktuelle pathophysiologische Erklärungsmodell einer nicht IgE-vermittelten allergischen Reaktion der Kolonschleimhaut auf Nahrungsmittelproteine kritisch hinterfragen.
Conclusio: Da die heterogene Nomenklatur der FPIPC für Verwirrung sorgt, sollte eine einheitliche Namensgebung für die Erkrankung angestrebt werden.
Auffallend ist das Fehlen einer eigenen Leitlinie für die nahrungsmittelprotein-induzierte Proktokolitis, da das Krankheitsbild größtenteils in Zusammenhang mit IgE-vermittelten Nahrungsmittelallergien und dabei meist unzureichend abgehandelt wird.
Die wissenschaftliche Qualität jener Publikation, die als Grundlage des aktuellen pathophysiologischen Erklärungsmodells der FPIPC dient, ist aus heutiger Sicht zu hinterfragen. Bei näherer Betrachtung weist dieses Modell zahlreiche Ungereimtheiten auf, welche sich auch in den aktuellen kritisch hinterfragenden Studien zur FPIPC widerspiegeln.
Als eine der möglichen Alternativhypothesen für die Entstehung der FPIPC wird derzeit eine bakterielle Dysbiose des Kolons als Ursache der Schleimhautentzündung diskutiert.