Gewählte Publikation:
Kern, M.
Hypoparathyreoidismus, retrospektive Beobachtungsstudie
Humanmedizin; [ Diplomarbeit ] ; 2015. pp.95.
[OPEN ACCESS]
FullText
- Autor*innen der Med Uni Graz:
- Betreuer*innen:
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Amrein Karin
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Theiler-Schwetz Verena
- Altmetrics:
- Abstract:
- Hintergrund
Der Hypoparathyreoidismus ist eine Hormonmangelerkrankung, die vor allem das weibliche Geschlecht betrifft und meist postoperativ nach Operationen im Halsbereich auftritt. Sie kann jedoch auch genetisch oder autoimmun bedingt sein. Die Erkrankung stellt für viele PatientInnen eine große Belastung dar, da sie mit einer ständigen Medikamenteneinnahme, häufigen Krankenhausbesuchen und einer Vielzahl an Symptomen einhergehen kann. Die Therapie ist rein symptomatisch und erfolgt durch Verabreichung von teilweise sehr divergierenden Calcium- und Vitamin D-Dosen. Es existieren keine Richtlinien zur Behandlung und die Einbußen in der Lebensqualität der PatientInnen werden von den behandelnden Ärzten unterschätzt. Die Vermutung zahlreicher Komplikationen bei chronisch Erkrankten basiert auf einigen wenigen Studien. Der Hypoparathyreodismus ist die einzige Endokrinopathie, die nicht mit Ersatz des fehlenden Hormons behandelt wird. In Zukunft könnte dessen Einsatz eine Rolle spielen.
Methoden
Im Rahmen dieser retrospektiven Explorationsstudie wurden 119 PatientInnen mit Hypoparathyreoidismus, die zwischen 2004 und 2014 an der Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechsel des Universitätsklinikums Graz vorstellig waren, über das Informationssystem „openMedocs“ identifiziert. Eingeschlossen wurden PatientInnen mit Parathormon unter dem oder im niedrig normalen Referenzbereich (< 25 pg/ml), die außerdem einen Befundtext zur Erhebung von krankheitsspezifischen Daten aufwiesen. Mittels deskriptiver Statistik erfolgte eine Charakterisierung des PatientInnenkollektivs. Die Ergebnisse wurden mit der vorhandenen Literatur verglichen.
Ergebnisse
Das zum großen Teil weibliche (78,2 %) PatientInnenkollektiv wies in 88,2 % einen postoperativen Hypoparathyreoidismus auf, der im Median 5,5 Jahre nach der Operation diagnostiziert wurde. Bei einem Mittelwert des Gesamtcalcium (2,09 mmol/l (± 0,32)) unter dem Normbereich hatten 45,8 % hypokalziämische und 2,5 % hyperkalziämische Mittelwerte, während sogar 35,3 % der PatientInnen Durchschnittswerte des Gesamtcalciums unter dem empfohlenen therapeutischen Bereich (2,00-2,25 mmol/l) aufwiesen. Parästhesien (p=0,045) und Tetanien (p=0,030) waren statistisch signifikant häufiger bei PatientInnen mit erniedrigten Werten des ionisierten Calcium. Dies galt nicht für das Gesamtcalcium (p=0,526). Insgesamt klagten 65,5 % der PatientInnen zumindest einmal über Tetanien und Therapieänderungen wurden statistisch signifikant häufiger bei PatientInnen mit Tetanien (p=0,003) durchgeführt. Keine(r) der PatientInnen mit Hochdosis-Therapie (>3000 mg/d Calcium oder >4000 IU Cholecalciferol/d) hatte hyperkalziämische Werte und die Dosisänderung des Calcium bei der ersten Therapieänderung wies lediglich einen Median von 500 mg auf.
Conclusio
Die enorm hohe Rate an Tetanien und Parästhesien suggeriert, dass die Mehrheit der PatientInnen unter der derzeitigen Standardtherapie Beschwerden hat. Diese können mit ausreichender, individualisierter Dosierung von Vitamin D, seinen Metaboliten und Calcium deutlich gelindert werden. Die Therapie sollte sich aber nicht lediglich an Laborwerten wie erniedrigten Gesamtcalcium-Werten orientieren. Diese Arbeit, die eine der weltweit größten Kohorten mit Hypoparathyreoidismus charakterisiert, zeigt die Vielfalt an Komplikationen der Erkrankung, die häufig eine Langzeitbetreuung nach sich zieht.