Gewählte Publikation:
Queissner, R.
Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Gehirnstruktur und Funktion bei Psychose und affektiven Erkrankungen
Humanmedizin; [ Diplomarbeit ] Medical University of Graz; 2014. pp. 78
[OPEN ACCESS]
FullText
- Autor*innen der Med Uni Graz:
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Queissner Robert
- Betreuer*innen:
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Birner Armin
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Reininghaus Eva
- Altmetrics:
- Abstract:
- Durch das Aufkommen moderner Methoden der zerebralen Bildgebung entstanden intensive Bemühungen die physiologischen Prozesse der Emotion und die pathophysiologischen Veränderungen bei affektiven und psychotischen Erkrankungen zu untersuchen. Die Reduktion auf die traditionell der Emotion zugeordneten anatomischen Strukturen des Gehirns, die in unterschiedlicher Definition als das limbische System bezeichnet werden, muss in Anbetracht der aktuellen Forschungsergebnisse als nicht ausreichend angesehen werden. In einem als „constructionism“ bezeichneten Modell geht man nicht von einzelnen Zentren für unterschiedliche Funktionen wie etwa Emotion aus, sondern nimmt als Grundlage das Vorhandensein von Netzwerken an, die integrativ emotionale, kognitive und sensorische Komponenten beinhalten. Dieses Modell geht davon aus, dass es kein singuläres Auftreten einer Emotion ohne Beteiligung anderer funktioneller Bereiche gibt. Insgesamt konnten bisher fünf mit der Emotion in Zusammenhang stehende funktionelle Netzwerke definiert werden.
Hinsichtlich der bipolar affektiven Störung können zwei ventrale präfrontale Netzwerke als besonders relevant angesehen werden. Weiters wurde festgestellt, dass es bei Personen mit einer bipolar affektiven Erkrankung zu einer erhöhten Amygdalaaktivierung als Reaktion auf emotionale Stimuli kommt. Als wesentlichstes Zentrum der funktionellen Regulation der Amygdala werden die ventralen Areale des präfrontalen Kortex angesehen. Strukturelle Unterschiede lassen sich am deutlichsten bei Kindern bipolar affektiv erkrankter Eltern feststellen, bei denen ein vermehrtes Volumen der grauen Substanz der Amygdala festgestellt wurde. Bei der unipolaren Depression konnten deutlich Strukturveränderungen im Sinne einer Volumenreduktion in mehreren kortikalen wie auch subkortikalen Bereichen festgestellt werden. Interessanterweise finden sich Unterschiede in der Lokalisation und Ausprägung der funktionellen Auffälligkeiten zwischen Menschen mit einer uni- versus einer bipolar affektiven Erkrankung.
Strukturelle Veränderungen konnten bei allen Krankheitsentitäten mit psychotischen Symptomen festgestellt werden. Am ausgeprägtesten sind sie jedoch bei der Schizophrenie. Funktionell imponiert vor allem eine Dysfunktion der Inselregion, der generell ein wesentlicher Einfluss auf die Entstehung psychotischer Symptome eingeräumt wird.