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Selected Publication:

Buchmüller, M.
Psychiatriearchitektur als Ausdruck gesundheitsreformerischer Programme in Bayern und Österreich bis 1880
Humanmedizin; [ Diplomarbeit ] Medical University of Graz; 2014. pp. 126 [OPEN ACCESS]
FullText

 

Authors Med Uni Graz:
Advisor:
Kapfhammer Hans-Peter
Altmetrics:

Abstract:
In der Epoche des aufgeklärten Absolutismus, speziell im 18. Jahrhundert entstanden in ganz Europa „Irren- oder Tollhäuser“, welche zum Zweck der Internierung störender „Irrer“ errichtet wurden. „Irre“ wurden wie Verbrecher zur Herstellung einer gesellschaftlichen Harmonie dorthin verbracht. Eine hierzu parallele aufklärerische Bewegung formte in dieser Zeit aber auch eine zunehmende philanthropische, kritisch-reflektierende bürgerliche Gesellschaft. Auf dem Höhepunkt der Französischen Revolution gelang es Philippe Pinel, mit einem symbolischen Akt der Kettenabnahme in zwei der von ihm geleiteten Anstalten auch eine Revolution in der Irrenbehandlung zu begründen. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam es im humanistischen Geist der Aufklärung zu zahlreichen Anstaltsneu-gründungen, in welchen man aber nur zögerlich diese ideelle Zwangsfreiheit umsetzte. Einen neuen Aufschwung bekam die Entwicklung des Irrenwesens mit der Begründung des „Non-restraint-Systems“ in England unter Hill und Conolly ab 1839. Hier wurde empirisch nachgewiesen, dass bei absoluter Zwangsfreiheit die Heilerfolge Geisteskranker stiegen. Zum verwirklichten Prinzip signifikant reduzier-ter mechanischer Zwangsmaßnahmen kamen nun als weitere Behandlungsprinzi-pien auch ein Geist der Milde, Geduld und wahren Menschenliebe. Ab der zweiten Hälfte des 19. Jhd. prägten zunehmend moderne Irrenanstalten mit oben genannten Prinzipien die europäische Landschaft. Diese Arbeit vergleicht die Kreisirrenanstalt für Niederbayern mit der Landesirren-anstalt für die Steiermark und arbeitet Gemeinsamkeiten und Unterschiede sowie Fortschritte in Bezug auf die Prinzipien der Irrenbehandlung in Europa heraus. Es werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Bauart bzw. den Konzepten der jeweiligen Anstalt veranschaulicht. Dabei wird Rücksicht auf die Dimension, die Raumeinteilung, Zimmergrößen und Gebäudesituierung auf dem Anstaltsareal genommen. Beide Anstalten waren für ihre Zeit schon unter zeitgemäßen Aspekten der Irrenbehandlung und der architektonischen Ausführung errichtet worden. Man kann die klare Tendenz zum Non-restraint-System erkennen, muss aber konstatieren, dass in diesen Anstalten auf Zwangsmaßnahmen wie z. B. Tobzellen nicht verzichtet wurde.

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