Gewählte Publikation:
Wehle, L.
"Das Groningen Protokoll"
Schwere Entscheidungsfindung an der Wiege
Humanmedizin; [ Diplomarbeit ] Medical University of Graz; 2014. pp. 87
[OPEN ACCESS]
FullText
- Autor*innen der Med Uni Graz:
- Betreuer*innen:
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Stronegger Willibald
- Altmetrics:
- Abstract:
- Jährlich werden in den Niederlanden ca. 200.000 Kinder geboren. Eintausend von ihnen überleben das erste Lebensjahr nicht. In 65% der Fälle geht dem Tod der Kinder eine EoL (End of Life) -Decision (keine Behandlung oder Stoppen einer begonnenen Behandlung) voraus. In ca. 15 - 20 Fällen pro Jahr wird die Entscheidung getroffen das Leben der Kinder aktiv zu beenden. Aktive Euthanasie ist auch in den Niederlanden verboten, allerdings gibt es sehr streng definierte Kriterien unter deren Einhaltung keine strafrechtliche Verfolgung stattfindet.
2005 wurden diese Kriterien im sogenannten Groningen Protokoll (GP) festgelegt. Seit seiner Veröffentlichung ist das GP Gegenstand vieler, oftmals kontroverser Diskussionen.
Sowohl Kritiker als auch Befürworter argumentieren auf der Basis der allgemein anerkannten Prinzipien der Medizinethik, wie dem Prinzip der Autonomie und dem Prinzip des Nichtschadens.
Beide Lager gehen der Frage nach, ob das Groningen Protokoll wirklich notwendig ist, ob unerträgliches Leid als Entscheidungskriterium herangezogen werden kann, wie Ärzte in der Lage sind, die zu erwartende Lebensqualität der betroffenen Kinder zu beurteilen und in wessen Interesse gehandelt wird. Auch die Möglichkeit eines Missbrauchs bzw. eines Dammbruchs durch das Protokoll wird diskutiert.
Dies wird durch Dr. Verhagen, einen der Verfasser des Groningen Protokolls, durch die Evaluierung der Situation nach der Einführung des Protokolls widerlegt.
Studien haben gezeigt, dass die Fälle von an Kindern durchgeführter Euthanasie in den Folgejahren deutlich zurückgegangen sind. Ein möglicher Grund dafür ist eine für alle Schwangeren zugängliche Pränataldiagnostik, im Zuge derer schwere Erkrankungen bzw. Fehlbildungen bereits im Mutterleib festgestellt werden können. Diese Theorie wird auch durch die steigenden Zahlen von Schwangerschaftsabbrüchen in der Frühschwangerschaft gestützt.
Ein weiterer Grund für den Rückgang der gemeldeten Fälle könnte sein, dass es keine einheitliche Definition der neonatalen Euthanasie gibt. So werden sterbenden Babies ähnliche Medikamente verabreicht, wie sie auch zur Euthanasierung eingesetzt werden, um z.B. auftretende Atemnot zu lindern. Dies wird allerdings zumeist der Palliativbetreuung zugerechnet, daher werden diese Fälle nicht als neonatale Euthanasie gemeldet.
Diskussion: Das Groningen Protokoll ist aus ethischer Sicht vertretbar, da es dadurch zu keiner Verletzung der Prinzipien der Medizinethik kommt.
Schlussfolgerung: Es ist in bestimmten Fällen gerechtfertigt, Neugeborene unter Einhaltung der im Protokoll festgelegten Kriterien zu euthanasieren.