Gewählte Publikation:
Maurer, D.
Einsatzgebiete der Hyperbaren Oxygenation. Ergebnisse aus experimentellen und klinischen Anwendungen. Eine kritische Analyse der aktuellen Literatur.
Humanmedizin; [ Diplomarbeit ] Medical University of Graz; 2014. pp. 278
[OPEN ACCESS]
FullText
- Autor*innen der Med Uni Graz:
- Betreuer*innen:
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Smolle-Juettner Freyja-Maria
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- Abstract:
- Bei der HBO atmet ein Patient in einer Überdruckkammer reinen Sauerstoff bei Umgebungsdrucken von mehr als einer Atmosphäre, wodurch ein Vielfaches der bei atmosphärischem Druck physikalisch im Blutplasma gelösten Sauerstoffmenge in Lösung übergeht. Dadurch ergeben sich durch die HBO besondere Wirkungen des Sauerstoffs auf die verschiedenen Gewebe des menschlichen Körpers. Funktionelle Effekte umfassen dabei u.a. die Vasokonstriktion, Ödemreduktion, antibakterielle Wirkung über freie Sauerstoffradikale, Verbesserung der leukozytären Phagozytose sowie Reoxygenierung der mitochondrialen Enzyme. Mit der Förderung der Angiogenese, de-novo-Gefäßentstehung, Kollagenbildung und Neurogenese führt die HBO auch zu morphologischen Gewebsveränderungen. Am Beispiel der Leukozytenadhäsionshemmung am Gefäßendothel beeinflusst hyperbarer Sauerstoff auch die Interaktion von verschiedenen Geweben. Einflüsse der HBO auf zelluläre Signaltransduktionswege werden anhand der Hyperoxie-induzierten Hemmung der neuronalen Apoptose ersichtlich. Das Ziel dieser Diplomarbeit bestand darin, eine Übersicht über die aktuelle experimentelle und klinische Datenlage zu den Einsatzgebieten der HBO anzufertigen. Dazu wurde eine Literaturrecherche über relevante HBO-Publikationen der letzten beiden Jahrzehnte auf verschiedenen medizinischen Datenbanken wie ,pubmed‘ und ,cochrane library‘ sowie in HBO-Fachbüchern durchgeführt. Die Auswahl der hier ausgearbeiteten HBO-Indikationen wurde anhand der gefundenen rezenten Datenlage in Übereinstimmung mit den UHMS-Kriterien sowie auf der Basis der physiologischen und biochemischen HBO-Mechanismen getroffen. Jedes beschriebene Einsatzgebiet stellt demnach eine Übersicht über den experimentellen Wissensstand zur HBO, sich daraus ergebender Rationale für den klinischen Einsatz sowie die aktuelle klinische Datenlage dar. Bei Infektionskrankheiten wird die HBO in der Behandlung von nekrotisierenden Weichteilinfektionen, chronisch refraktärer Osteomyelitis, invasiven Pilzinfektionen sowie Hirnabszessen angewandt. Die HBO wirkt dabei über eine direkte Bakterizidie durch freie Sauerstoffradikale, Verbesserung der leukozytären Phagozytose sowie Synergismus mit Antibiotika/Antimykotika. Bei chronisch nichtheilenden Wunden (diabetisches Fußsyndrom, chronische Strahlenschäden) ergibt sich die Rationale zur HBO aus der Beeinflussung der Wundheilung über Revaskularisierung und Rekollagenisierung. Durch die Hemmung von Ischämie-Reperfusionssyndrom und Lipidperoxidation führt die HBO zum Erhalt ischämisch geschädigter Gewebe bei akuten kardialen, zerebralen Ischämien, traumatischen Gewebsverletzungen sowie bei Transplantaten. Der Einsatz der HBO in der Neurotraumatologie kann sowohl bei akutem Schädelhirntrauma als auch zur Behandlung chronischer Folgeschäden nach SHT getroffen werden. Der Angriffspunkt der HBO liegt dabei in der Begrenzung des sekundären Hirnschadens über Apoptosehemmung. Bei der Behandlung neuropsychiatrischer Folgeschäden nach SHT zeigt sich eine klare Überlegenheit der „low-pressure-HBO“ gegenüber normobarem Sauerstoff. Über die Reoxygenierung mitochondrialer Enzyme, Anstieg der Plasmasauerstoffkonzentration sowie Hemmung der radikalbedingten Lipidperoxidation wird der klinische HBO-Einsatz bei ausgewählten Intoxikationen ermöglicht. In Anbetracht der hier ausgewerteten Datenlage kann der klinische HBO-Einsatz bei vielen UHMS-Indikationen experimentell begründet werden. Bei neueren Einsatzgebieten kann der aktuelle experimentelle Wissensstand jedoch klinisch noch nicht bestätigt werden. Zukünftige Anforderungen an die HBO-Forschung wie die Ausweitung standardisierter HBO-Protokolle, Objektivierung von Patientenselektionskriterien sowie Durchführung multizentrischer Studien müssen im Sinne der evidenzbasierten Medizin erfüllt werden.