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Novak, W.
SELEKTIVE SEROTONIN-REUPTAKE-INHIBITOREN IN DER ANTIDEPRESSIVEN THERAPIE
[ Diplomarbeit ] Medical University of Graz; 2013. pp. 61
[OPEN ACCESS]
FullText
- Autor*innen der Med Uni Graz:
- Betreuer*innen:
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Beubler Eckhard
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- Steigenden Inzidenz- und Prävalenzzahlen depressiver Störungen stehen eine Reihe von Behandlungsmodalitäten gegenüber. Neben pharmakologischen Substanzen zählen hierzu psychotherapeutische Maßnahmen sowie biologische Verfahren, etwa die Elektrokrampftherapie, die Lichttherapie oder der Schlafentzug. Antidepressiva sind eine inhomogene Gruppe von Substanzen, unter denen sich die Selektiven Serotonin-Reuptake-Inhibitoren (SSRI) als First-line-Medikamente bei Depressionen etabliert haben. Ihr Wirkmechanismus ist weit komplexer, als lange Zeit angenommen und bis heute noch nicht restlos geklärt. Neben der selektiven Blockierung des Serotonin-Transporters und den daraus resultierenden erhöhten Konzentrationen des Neurotransmitters im synaptischen Spalt, was adaptive Veränderungen auf Rezeptorebene zur Folge hat, kommt es über funktionale neuronale Verschaltungen auch zur Inhibition der dopaminergen und noradrenergen Transmission in speziellen Hirnregionen. Ferner bewirken SSRI eine verstärkte Expression von neurotrophen Faktoren, wodurch depressionsbedingte hirnorganische Degenerationen rückgängig gemacht werden können. Die Expression und Ausschüttung von Zytokinen und Kortisol, deren erhöhte Spiegel in der Depressiogenese eine Rolle spielen, werden unter SSRI-Gabe reduziert.
Der Vorteil der SSRI gegenüber Antidepressiva der ersten Generation liegt in ihrem günstigeren Nebenwirkungsprofil, der hohen therapeutischen Breite und den niedrigeren Drop-out-Raten bei vergleichbarer Wirksamkeit. Die antidepressive Potenz der Pharmaka nimmt mit dem Schweregrad des depressiven Zustands zu, daneben sind sie bei Frauen geringfügig besser und bei älteren Patienten schlechter wirksam. Escitalopram und Sertralin zeichnen sich durch Wirksamkeitsvorteile gegenüber den anderen SSRI aus. Der große Nachteil, den SSRI mit sich bringen, sind ihre zahlreichen pharmakodynamischen und pharmakokinetischen Interaktionen. Hervorzuheben sind hierbei das potentiell lebensbedrohliche zentrale Serotoninsyndrom, das bei Kombinationen mit anderen serotonergen Wirkstoffen entstehen kann, die Verlängerung des QT-Intervalls mit der Gefahr von tachykarden Rhythmusstörungen etwa bei gleichzeitiger Verabreichung von trizyklischen Antidepressiva (TZA), und das erhöhte Blutungsrisiko bei Kombinationen mit gerinnungshemmenden Substanzen.
Spricht ein Patient nicht auf einen ersten Behandlungsversuch mit SSRI an, erscheinen verschiedene Strategien erfolgversprechend: Der Wechsel auf einen anderen SSRI oder ein Antidepressivum anderer Klasse, ebenso Kombinations- und Augmentationstherapien. Psychotherapeutische Maßnahmen sowie die Elektrokrampftherapie können bei Therapieversagen zu jedem Zeitpunkt erwogen werden.