Selected Publication:
Wiesinger, RP.
Evaluation von Wahrnehmungsstörungen und Abgrenzung vom psychoorganischen Durchgangssyndrom/postoperativen Delir nach kardiochirurgischen Eingriffen
[ Diplomarbeit ] Medical University of Graz; 2013. pp. 98
[OPEN ACCESS]
FullText
- Authors Med Uni Graz:
- Advisor:
-
Mächler Heinrich
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- Abstract:
- Zusammenfassung
Einleitung: Das postoperative psychoorganische Durchgangssyndrom ist seit langem beim herzchirurgischen Patienten-Kollektiv gut publiziert und kann auch durch eine Vielzahl von präoperativen psychologischen Tests erkannt werden. Durch dieses psychoorganische Durchgangssyndrom kommt es zu einem erhöhten ärztlichen und pflegerischen Aufwand und in weiterer Folge zu einer finanziellen Mehrbelastung für den Krankenhausbetreiber. In dieser prospektiven Studie wurde das Auftreten von isolierten Wahrnehmungsstörungen getrennt vom klassischen psychoorganischen Durchgangssyndrom als eigenständige Erkrankung betrachtet und isoliert.
Methode: Die isolierte Wahrnehmungsstörung (IWS) wurde definiert als das Auftreten von Verzerrungen der Wahrnehmung, durch das Auftreten von Illusionen und optischen Pseudohalluzinationen, Beeinträchtigungen des abstrakten Denkens und der Auffassung, mit oder ohne flüchtigen Beeinträchtigungsideen, aber typischerweise mit einem gewissen Grad an Inkohärenz; weiters definiert es sich durch eine Beeinträchtigung des Immediat- und des Kurzzeitgedächtnisses, aber mit relativ intaktem Langzeitgedächtnis.
Die Studie wurde an 87 Patienten, davon 28 weibliche Patienten und 59 männliche Patienten, der klinischen Abteilung für Herzchirurgie Graz und in der PVA Sonderkrankenanstalt St. Radegund durchgeführt. Das Patientenalter wurde zwischen 65 Jahren und 85 Jahren limitiert, alle Patienten unterzogen sich einer aortokoronaren Bypassoperation oder einer Aortenklappenersatzoperation. Es wurden fünf Befragungen durchgeführt (einmal präoperativ, vier Mal postoperativ). Es wurden verwendet: der Confusion Assessment Method (CAM)-Fragebogen, der WHO-Fragebogen betreffend des Wohlbefindens, der Primary Care PTSD Screen, die 10-stufige Ratingskala zur Einschätzung des präoperativen psychischen Stresslevels, die Risikostratifikation vor Herzoperation (EuroScore) und die Mini Mental State Examination.
Ergebnis: Die IWS trat bei 17,3 % der in die Studie eingeschlossenen Patienten auf. Lediglich beim Auftreten einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) und bei Einnahme von Antihypertensivern konnte ein signifikantes auftreten einer IWS festgestellt werden. Von den Patienten, die unter einer COPD litten, konnte bei 38,5 % eine IWS detektiert werden, hingegen bei den Patienten die keine COPD hatten, waren es nur 16,1%. Bei Patienten unter einer antihypertensiven Therapie trat eine IWS zu 28,2% auf und ohne die Einnahme von Antihypertensivern zu 11,8%. Keine der anderen erhobenen Daten, weder die demographischen, präoperativen, perioperativen oder postoperativen Daten konnten einen Hinweis zum Auftreten einer IWS geben. Alle fünf psychologischen Tests, die prä- und postoperativ durchgeführt wurden, waren negativ.
Schlussfolgerung: Diese Studie hat gezeigt, dass postherzchirurgische Patienten in den ersten Tagen bis zwei bis drei Wochen nach dem Eingriff psychisch gesehen in ein ¿tiefes schwarzen Loch¿ fallen können, obwohl, oder gerade weil sie zu allen Befragungszeitpunkten zeitlich und örtlich orientiert waren. Dieses Krankheitsbild ist deshalb so bedeutend, da die Patienten gerade diese ¿normale¿ Orientierung leiden lässt, sie beurteilen sich selbst als urteilsfähig und ihr Leiden wird im Klinikalltag nicht erkannt. Diese zeitliche und örtliche Orientierung verhindert das ärztliche Erkennen der IWS, welches als eigenes Krankheitsbild aufzufassen ist. Das Hauptaugenmerk wurde traditionell nur auf das klassische psycho-organische Durchgangssyndrom gerichtet. Das IWS korreliert betreffend präoperativen Parametern lediglich mit einer COPD und einer antihypertensiven Therapie. Ob für alle Patienten eine Gesprächstherapie hilfreich ist, werden weitere Untersuchungen zeigen. Eine medikamentöse Therapie scheint bei der IWS nicht zielführend zu sein.