Gewählte Publikation:
Kolman, C.
Angst, Posttraumatische Belastungsstörung und Depression nach Myokardinfarkt
[ Dissertation ] Medical University of Graz; 2012. pp. 227
[OPEN ACCESS]
FullText
- Autor*innen der Med Uni Graz:
- Betreuer*innen:
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Kapfhammer Hans-Peter
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Schmidt Albrecht
- Altmetrics:
- Abstract:
- Kardiovaskuläre Erkrankungen und depressiv-ängstliche Störungen zählen in den Industrieländern zu den häufigsten Störungsbildern im klinischen Alltag. Personen mit kardiovaskulären Erkrankungen leiden signifikant öfter unter Depressionen, Angststörungen und Posttraumatischer Belastungsstörung als die Allgemeinbevölkerung. Die Koexistenz depressiv-ängstlicher Störungen bei kardiovaskulären Erkrankungen ist in der Regel mit einer deutlichen Verkomplizierung der Behandlung und einer schlechteren Prognose für den weiteren Krankheitsverlauf verbunden.
In der vorliegenden Arbeit wurde im ersten Teil dieses Thema mittels Literaturanalyse diskutiert. Auf der Basis einer systematischen Sichtung, Zusammenschau und Bewertung der aktuellen empirischen Forschungsliteratur fand eine umfangreiche Auseinandersetzung und Darstellung von Epidemiologie, Ätiopathogenese, Verlauf und Prognose sowie Therapie bei komorbider Angst, Posttraumatischer Belastungsstörung und Depression bei kardiovaskulären
Erkrankungen statt.
Im zweiten, empirischen Teil wurden 41 Patienten (11 Frauen und 30 Männer), zwischen 44 und 85 Jahren, die an der Abteilung für Kardiologie des LKH-Univ. Klinikums Graz aufgrund eines akuten Myokardinfarktes stationär behandelt wurden, auf das Vorhandensein depressiv-ängstlicher Symptomatik untersucht. Anhand von Selbstbeurteilungsverfahren (Beck-Depressions-Inventar, Hospital Anxiety and Depression Scale, Posttraumatische Stressskala-10, Stressmodul aus Gesundheitsfragebogen) wurde retrospektiv für die letzten sechs Monate vor dem Myokardinfarkt sowie unmittelbar danach das Ausmaß an depressiv-ängstlicher Symptomatik sowie psychosozialer Stressfaktoren erhoben.
Es konnte erstmals gezeigt werden, dass auch in Österreich, konkret in einer steirischen Versorgungseinrichtung, ein erhöhtes Ausmaß an depressiv-ängstlicher Symptomatik bei Patienten nach einem Myokardinfarkt vorliegt und somit internationale Daten auch auf österreichische Einrichtungen übertragbar sind.
Myokardinfarktpatienten wiesen signifikant höhere Depressionswerte auf als eine gesunde Normstichprobe. 34 % (gemessen mit dem BDI) bzw. 27 % (gemessen mit der HADS) der Probanden litten unter depressiven Symptomen, 20 % unter Angstsymptomen und 7 % unter posttraumatischen Belastungs-symptomen. Es konnten keine signifikanten Geschlechtseffekte verzeichnet werden. Auch die Schwere des Myokardinfarktes war unabhängig vom Ausmaß depressiv-ängstlicher Symptomatik. Psychosoziale Stressfaktoren, die innerhalb der letzten sechs Monate vor dem Myokardinfarkt auftraten, hatten sowohl vor als auch nach dem Herzinfarkt signifikante Auswirkungen auf das Ausmaß an depressiv-ängstlicher Symptomatik. Hingegen zeigten besondere Lebensereignisse, die innerhalb der letzten sechs Monate vor dem Myokardinfarkt auftraten, keinen Einfluss.
Die Studienergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit einer ganzheitlichen, psychosomatischen Betrachtungsweise bei der Behandlung von Myokardinfarktpatienten. Diese könnte in Form einer verstärkten interdisziplinären
Vernetzung von Kardiologen, Allgemeinmedizinern, Psychiatern und Psychologen umgesetzt werden.
Ziel der weiteren Forschung sollte eine Wissenserweiterung über pathophysiologische Zusammenhänge psychisch-kardialer Komorbidität sein. Mit Hilfe dieser Erkenntnisse könnten speziell für dieses Erkrankungsbild abgestimmte Therapieprogramme entwickelt werden, um eine bestmögliche Versorgung der betroffenen Patienten zu gewährleisten und Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko sowie Gesundheitskosten zu verringern.