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Selected Publication:

Fitz, W.
Spiritualität und Sinnkonzepte bei Patienten mit Psychosen
[ Dissertation ] Medical University of Graz; 2011. pp. 108 [OPEN ACCESS]
FullText

 

Authors Med Uni Graz:
Fitz Werner
Advisor:
Fabisch Johann
Altmetrics:

Abstract:
Spiritualität und Sinnkonzepte sind wesentliche Konstituenten von Identität und sie haben möglicherweise eine stabilisierende und integrative psychologische Funktion. Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis gehen typischerweise mit einer Desintegration der Person einher. Vor diesem Hintergrund wurden verschiedene Aspekte von Spiritualität und Sinnkonzepten in einer Stichprobe von Patienten mit einer Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis (N=19) und einer nach Alter, Geschlecht und Schulbildung gematchten Kontrollgruppe (N=14) erfasst. In beiden Gruppen wurden zusätzlich das Ausmaß depressiver und psychotischer/schizotypischer Symptomatik und die Lebensqualität erhoben, in der klinischen Gruppe außerdem das Ausmaß der Ich-Psychopathologie. Die Messungen erfolgten mithilfe von Fragebögen mit unterschiedlichem theoretischem Hintergrund und mithilfe eines strukturierten Interviews. In der Kontrollgruppe waren dazu jeweils zwei Testsitzungen notwendig, in der klinischen Gruppe jeweils drei. Als erstes Ergebnis zeigte sich eine gute Brauchbarkeit der Spiritualitäts-/Religiositätsskalen in der klinischen Gruppe, während die Sinn-Skalen nur globale Aussagen zuließen. Das zweite Ergebnis war, dass Spiritualität/Religiosität einerseits und Sinnkonzepte andererseits zwei voneinander relativ unabhängige Faktoren darstellten. In beiden Gruppen korrelierte Spiritualität/Religiosität korrelierte kaum mit psychopathologischen Skalen, die Sinn-Skalen hingegen korrelierten teilweise mit der depressiven Symptomatik. Bei den schizophren Erkrankten trat jedoch ein negativer Zusammenhang zwischen der Spiritualitäts-Dimension und der Ich-Psychopathologie auf. Das dritte Ergebnis bestand darin, dass die schizophren Erkrankten im Mittel religiöser waren als die gesunden Kontrollpersonen, dafür aber ein geringeres Maß an Sinnerfüllung aufwiesen. Unter Berücksichtigung der Ich-Psychopathologie zeigte sich, dass vor allem die schizophren Erkrankten mit geringer Ich-Psychopathologie religiöser waren als die Kontrollpersonen, während die schizophren Erkrankten mit stärkerer Ich-Psychopathologie vermehrt religiösen Zweifel und verringerte Sinnerfüllung aufwiesen. Als fünftes Ergebnis zeigte sich, dass ein Social-Category-Priming-Effekt in der zweiten Testsitzung zwar in der Kontrollgruppe auftrat, nicht aber in der Gruppe der schizophren Erkrankten. Aus den Ergebnissen kann geschlossen werden: 1) schizophren Erkrankte sind grundsätzlich eher religiös sind, wenn aber eine ausgeprägte Ich-Psychopathologie vorhanden ist, wird die religiöse Verarbeitung verhindert; 2) das Fehlen des Social-Category-Priming für religiöse Einstellungen bei schizophren Erkrankten deutet auf eine bislang wenig beachtete Form von Einschränkungen der sozialen Kompetenz der Betroffenen hin.

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