Gewählte Publikation:
Pirker, L.
Medizinpsychologische Aspekte im Visitengespräch - Eine formal quantitative Untersuchung auf der
Wochenbett-Station
[ Diplomarbeit ] Medical University of Graz; 2011. pp. 75
[OPEN ACCESS]
FullText
- Autor*innen der Med Uni Graz:
- Betreuer*innen:
-
Wisiak Ursula
- Altmetrics:
- Abstract:
- Die ärztliche Visite stellt in der Klinik eine wichtige Grundlage für die diagnostischtherapeutische
Entscheidungsfindung dar. Zudem ist sie eine regelmäßige
Gesprächsmöglichkeit für Arzt und Patienten. Neben dem Erstellen des somatischen Befundes
kann die Visite aber auch Einfluss auf Gesundungs- und Bewältigungsprozesse des Patienten
nehmen. Dabei kann die Art der ärztlichen Gesprächsführung sowohl einen positiven als auch
negativen Heilungseffekt haben. Durch das Einbeziehen der Patienten in das
Behandlungskonzept kann somit deren Vertrauen zum Arzt und deren Genesung gestärkt
werden.
Im September 2010 wurde an der Universitätsklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am
Landeskrankenhaus Graz die Datenerhebung für die geplante Studie durchgeführt. Um die
Merkmale des Visitengespräches auf der geburtshilflichen Station zu erfassen, wurden
insgesamt 100 Visitengespräche auf Tonband aufgenommen, davon 50 per Zufallsgenerator
ausgewählt, transkribiert und anhand eines Analyseinstrumentes ausgewertet. Zusätzlich
wurde im Anschluss an die Visite ein Fragebogen an die Patientinnen ausgeteilt und in die
Auswertung mit einbezogen.
Die Ergebnisse der formal quantitativen Analyse zeigen, dass 71% der gesprochenen Wörter
von Seiten der visiteführenden Ärzte kamen. Fragen, welche während dem Visitengespräch
auftraten, wurden primär an die Patientinnen gestellt. Eine inhaltliche Analyse der Gespräche
wies auf, dass schwerpunktmäßig über medizinische und pflegerische Maßnahmen
gesprochen wurde, wobei Bereiche betreffend die psychische/ soziale Situation kaum
angesprochen wurden.
Die Auswertung des Fragebogens zeigt, dass der Großteil der Patientinnen mit 75%
vollkommen mit der Form der Visitenführung zufrieden war, die restlichen 25% waren damit
meist zufrieden. Dies lässt sich darauf zurückführen, dass sich der visiteführende Arzt Zeit für
das Gespräch nahm, die Fragen der Patientinnen symmetrisch beantwortete und sehr selten
Gebrauch von Fachbegriffen nahm. Trotz der allgemeinen Zufriedenheit der Visitenführung
gilt es zu beachten, dass immerhin 28% der Patientinnen sich wünschten, mehr in das
Gespräch mit einbezogen zu werden. Auch vertraten 14% der Befragten die Meinung, dass sie
nicht die Möglichkeit hatten ihre Sorgen im Gespräch anbringen zu können.
IV
Ein Vergleich mit der Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde der Medizinischen Fakultät
der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald in Deutschland zeigt primär Unterschiede im
Visitenablauf. Die Zusammensetzung des Visitenteams und das Vorhandensein eines eigenen
Untersuchungsraumes stellen exemplarisch jene Differenzen dar. Bezüglich der analysierten
Gespräche fällt auf, dass die deutschen Patienten, welche sich aus Männer und Frauen
zusammensetzten, nicht immer so zufrieden waren im Gegensatz zu den österreichischen
Frauen. Jene Punkte, welche anhand des Fragebogens auf der Wochenbett-Station sehr gut
bewertet wurden, wurden auf der Ophthalmologie des Öfteren auch mit ¿trifft meist nicht zu¿
bzw. ¿trifft nie zu¿ beantwortet. Dies betrifft Fragen nach der Gesprächsatmosphäre, der
Verständlichkeit, ob sich der Arzt genügend Zeit für das Gespräch nahm, aufgetretene Fragen
beantwortet wurden, sowie die Schlussfrage nach der Zufriedenheit mit der Form der
Visitenführung.